Bedarf erzeugen? Bedürfnisse wecken? Geht das überhaupt?

Cover-Deckblatt Bedarf erzeugen? Bedürfnisse wecken? Geht das überhaupt?Diese Geschichte finden Sie auch in meinem „Buch zum Blog“. Für alle, die lieber offline lesen als sich online alles im Internet zusammenklicken.

Nähere Infos unter
//hubertbaumann.com/buch-zum-blog/

 In letzter Zeit häufen sich auf meinen Seiten die Suchanfragen zu Begriffen wie

  • Bedarf erzeugen
  • Bedürfnisse wecken
  • Bedürfnisse erzeugen
  • Bedarf wecken
  • Wie kann ich Bedarf erzeugen?
  • usw.

Da ich schwerlich nachvollziehen kann, von wem und von wo diese Suchanfragen kommen, ich sie also leider nicht direkt beantworten kann, möchte ich auf diese Punkte gerne im Rahmen dieses Artikels etwas näher eingehen.

Was ist nun überhaupt Bedarf, was ist ein Bedürfnis, wann wird ein Bedürfnis zum Bedarf oder umgekehrt? Ich habe im Internet recherchiert und bin auf einige Definitionen – teilweise sehr komplizierte und wissenschaftliche Definitionen – gestoßen.

  • Vereinfacht dargestellt kam ich zu folgenden Definitionen:
    Bedürfnis = entsteht aus einem subjektiv oder objektiv empfundenen Mangel
    Bedarf = das mit Kaufkraft (= Geld) verbundene Bedürfnis

Es gibt ja landläufig die Meinung, dass ein guter Verkäufer alles verkaufen kann. Er also zu jedem Zeitpunkt und zu jeder Gelegenheit Bedarf erzeugen und Bedürfnisse wecken kann, unabhängig von Notwendigkeit, Sinnhaftigkeit oder Unsinnhaftigkeit des Produktes, das dahinter steht. Aber genau diese Aussage erlaube ich mir zu bezweifeln.

Gestatten Sie mir hierzu bitte zwei Geschichten:

Seit einigen Monaten habe ich einen latenten Bedarf an einer neuen Bohrmaschine. Ich weiss, dass ich mit der alten Maschine kein Loch mehr in einen schweizer Käse kriege und ich hätte auch das nötige Kleingeld für eine neue Maschine. Der Bedarf ist aus diesem Grund „latent“, weil ich nur hin und wieder das Bedürfnis habe, ein Loch bohren zu müssen. Dieser Bedarf konkretisiert sich aber immer dann, wenn ich z. B. ein Bild aufhängen will.

Würde ich also im Baumarkt von einem Verkäufer angesprochen, hätte er es mit mir sicherlich sehr leicht. Umso leichter, je kürzer meine schmerzhafte Erinnerung an meine letzte handwerkliche Aktion zurückliegt oder je näher die nächste Aktion bevor steht.

Denn in diesem Fall ist sowohl ein Bedürfnis, als auch ein Bedarf vorhanden. Der Verkäufer hatte lediglich das Glück, oder sagen wir mal: Er hat die Aufgabe übernommen, mich bei der richtigen Gelegenheit an meinen Bedarf zu erinnern.

Die zweite Geschichte: Es gibt sicherlich irgendein Gericht, das Sie absolut überhaupt nicht mögen. Bei mir sind das z. B. Meeresfrüchte oder Innereien. Ich würde lieber verhungern, bevor ich diese Dinge zu mir nehmen würde. Oder eine Musikgruppe, die Sie so extrem finden, dass Sie keine 10 Pferde dort hin zu einer Veranstaltung kriegen würden.

Stellen Sie sich nun vor, Sie bekommen nun genau dieses Gericht, oder Karten zu einer Veranstaltung dieser Gruppe, angeboten. Sie haben zwar die nötige Kaufkraft, aber gar überhaupt kein Bedürfnis. Aber nach einer halben Stunde Überredungskunst haben Sie die Karten dann doch gekauft (oder die Dose mit den Meeresfrüchten erworben).

Wie fühlen Sie sich nach diesem Kauf?

  • Gut? Zufrieden? Glücklich? oder eher unwohl und unbehaglich? Vielleicht etwas (oder sogar ziemlich) „über den Tisch gezogen“?

Aber dennoch ist es dem Verkäufer ja offensichtlich gelungen, in Ihnen ein Bedürfnis zu wecken und einen Bedarf zu erzeugen. Oder? Oder doch nicht? Ob aus diesem Geschäft nun ein zufriedener Kunde wird, der das Geschäft und den Verkäufer weiterempfehlen wird?

Was können wir aus diesen beiden Geschichten lernen?

  • Kann man wirklich ein Bedürfnis oder einen Bedarf wirklich erzeugen?

Ich bin gespannt auf Ihre Meinungen.

14 Kommentare

  1. hallo lieber Hubert, hallo liebe Kommentatoren.

    Der Aufsatz von Hubert Baumann ist zwar nicht mehr taufrisch, jedoch interessant genug, ihn zu lesen.

    Ich hatte vor kurzem mit einem User aus einem anderen Forum eine Meinungsverschiedenheit, weil ich behauptete, dass man Beduerfnisse wecken kann. Er verneinte. Ich hielt dagegen.
    Denn ich bin davon ueberzeugt, dass Beduerfnisse geweckt werden koennen, wenn derjenige, dem ich etwas anbiete, noch nie davon gehoert oder gesehen hat. Das braucht sich ueberhaupt nicht auf Verkaufs psychologische Dinge zu beschraenken. Es gibt Millionen Beispiele, in denen ich Beduerfnisse erzeugen kann, weil ich etwas dermassen aufregend und interessant schildere, dass mein Gegenueber es unbedingt kennen lernen will.
    Je raffinierter ich vorgehe, desto schneller habe ich ihn am „Haken“. Dabei muss es ueberhaupt nicht ums Geschaeft gehen. Kann es natuerlich.

    Ich brauchte noch nie jemanden zu ueberreden, sondern konnte ueberzeugen. Und zwar mit Argumenten, dass viele meiner Mitmenschen „suechtig“ nach meinen Angeboten wurden.
    Muss dazu sagen: Ich bin kein Verkaeufer !! Trotzdem habe ich meist bessere Argumente als die Knaben mit den einstudierten Floskeln in dieser Berufsgruppe.

    Ich KANN Beduerfnisse wecken.

    Ein Beispiel: Sagen wir, sie haben das noetige „Taschengeld“ und den erforderlichen Verstand, um eine HPPL erwerben zu koennen, ich wuerde es schaffen, sie dazu zu bringen, diese unbedingt haben zu muessen :-))

    Wenn jemand Interesse hat, mich kennen lernen zu wollen, moege mich anschreiben.
    Wohne allerdings nicht „umme“ Ecke, sondern in Suedamerika.

    saludos a alemania

    dr. lapsus (Felix)

    1. Nachtrag: Ein HPPL ist eine private Hubschrauberlizenz.

      Jemanden etwas vermitteln, woran dieser in seinem Leben noch nicht gedacht hat, ist die Art von Beduerfnis wecken, die ich meine. Eine Luxusausbildung, die nur dem reinen Spass dient. Das ist die hohe Kunst des „Verkaufens“ und Ueberzeugens.

      hasta luego

      Felix

  2. ich weiß gerade echt nicht, was ich davon halten soll :D
    sowas schlechtes, habe ich noch nie gelesen… komme selbst aus dem vertrieb sowie handel…

    mal abgesehen von allem was da im text stand, sollte man sich den kern der aussagen genauer betrachten. hier wird ein „produkt“ mit einem (ich sage mal) geschmack verglichen…?! also da fangen schonmal an, alle argumente zu zerfallen und der text war reine zeitverschwendung ^^

    Ps.: das lesen auch…

    außerdem vielen dank an meinen vorredner Roman! kann ihm nur zustimmen.

    1. Hallo B. W.,

      vielen Dank für Ihre Anmerkung zu meinem Artikel „Bedarf und Bedürfnisse“. An diesem Beitrag aus dem Jahr 2011 scheinen sich wirklich die Geister zu streiten, wie man aus dem kontroversen Kommentaren unschwer erkennt. Aber wie ist denn nun Ihre Meinung? Kann man ein Bedürfnis an einer Ware / an einem Produkt / an einer Dienstleistung erzeugen, auch wenn kein Bedarf vorhanden ist? Ich freue mich über Ihr Feedback.

      Einen schönen Sonntag Abend wünscht
      Hubert Baumann

  3. Diesen Artikel würde ich gern als Pflichtlektüre meinen Kolleginnen und Kollegen schicken ;-) … das ist es, worauf ich auch immer hinaus will, wenn ich sage: „Leute, nutzt die günstigen Gelegenheiten… und geht den Interessenten nicht auf die Nerven mit eurem permanenten Anrufen und Angeboten!!!“ Danke, Hubert für diesen Artikel!

    1. Hallo Stefan, tu Dir bitte keinen Zwang an und schicke :-). Leider erlebt man diese Meinung vom Erzeugen von Bedarf und Bedürfnissen in der Praxis immer wieder. Und leider wird in der Praxis eher der Vertriebsleiter wegen Unfähigkeit entlassen als die eigene Strategie zu überdenken. Oder es werden bewusst Fehlberatungen und unzufriedene Kunden in Kauf genommen, die zu einem vermeintlichen Bedarf kurzerhand überredet werden.

  4. Lieber Herr Baumann,

    stimme Ihnen 100%-ig zu. Seit Jahrzehnten versuche ich bei meinen Kunden Bedarf zu wecken. Dabei stellte ich fest, dass das, zumindest in unserem Renovierungsbereich, schlecht möcglich ist.

    Zum „Beweis“ die Renovierungsintervalle bei unseren Kunden, obwohl die jährlich mindestens 2x direkt angeschrieben werden: http://www.malerdeck.de/blog/tag/renovierungsintervall

    Zusätzlich machte ich vor einiger Zeit eine Umfrage, ob Bedarfsweckung in unserem Renovierungsbereich möglich ist. Ergebnis: ca. 87% sagen NEIN, 13% sagen EVENTUELL: http://www.malerdeck.de/blog/?p=16972

    Mit farbenfrohen und :-) Grüßen, Ihr Opti-Maler-Partner,
    Werner Deck

  5. Hallo Hubert,
    bin grad über Twitter irgendwie hier gelandet :)

    Find ich gut, dass ein Fachmann das alles mal so realistisch und nüchterner sieht.

    Ich bin zwar nur ein „Normalo“, aber ich mach mir auch so meine Gedanken, finde Werbung eh doof (habe aus selbigen Gründen schon seit etlichen Jahren keinen Fernseher mehr, war einfach zu nervig, die ewige Reklame und all das hektische Geflimmer…)
    Habe zwanzig Jahre im Blumenladen gearbeitet (als Floristin), da hab ich ja auch Leute beraten – habe aber niemandem irgendwas angelabert oder aufgezwungen, im Gegenteil: Ich hab die Leute immer so beraten, wie ich es selber gerne gehabt hätte, wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre. Und sie kamen immer wieder und haben mir großes Vertrauen entgegen gebracht.

    Mal weiter ausgeholt: Ist es nicht im Grunde auch Verschwendung, was eine riesen Werbe-Industrie an Aufwand betreibt – wo man diese ganze (menschliche Arbeits-)Energie doch vielleicht viel besser da ansetzen könnte, wo „wirkliche“ Bedürfnisse sind? (Ich mein jetzt mal nichts zum Kaufen, sondern ganz andere Sachen, was auch immer, soziale Dinge, irgendwas, was der Welt guttut, vielleicht ganz neue Berufe erfinden).
    Oder eben so wie Du es machst – nicht künstlich Bedürfnisse erzeugen, sondern gucken, was wirklich gebraucht wird. Das scheint es ja inzwischen schon immer öfter zu geben. Find ich gut. Die Zeiten ändern sich wohl doch auch mal zum Positiven ;D

    Nur mal so nachgedacht :)

    Grüsse von frieda

    1. Hallo Frieda,

      vielen Dank für den sehr schönen und ausführlichen Kommentar. So wie Du es als „Normalo“ siehst, ist die absolut richtige Einstellung. Denn alle unsere Käufer sind ja im Prinzip „Normalos“, die unser Unternehmen von außen betrachten und nur das wahr nehmen, was auf sie wirkt. Wenn ich meine Kunden so berate, wie ich es gerne hätte, dann man im Prinzip nichts falsch machen. Die Kunden werden wiederkommen. Und (!!!): Sie werden Dich sogar weiterempfehlen.

      Zu den Werbeausgaben bei Unternehmen: Ja, da kenne ich Zahlen, da wird einem schwindlich. Welcher Prozentsatz bei einem Produktpreis von 100 EUR tatsächlich in Werbung fließt. bzw. was das Produkt ohne den „Werbefaktor“ kosten würde.

      Viele Grüße
      Hubert

  6. Vielen Dank an alle bisherigen konstruktiven, auch kritischen Kommentare. So stelle ich mir ein Blog vor. Es lebt von den Beiträgen und Kommentaren ALLER Beteiligten.

    Eine Anmerkung noch zu meinem Text: Bei der Aussage „Ich würde lieber sterben, als ….“ handelt es sich um eine allgemein gebräuchliche Redewendung, die die extreme Abneigung gegen etwas verdeutlichen soll. Ähnlich wie bei dem Spruch „Ich wünsche Dir Hals- und Beinbruch“, bei dem man ja auch nicht davon ausgeht, dass das Gewünschte wirklich eintrifft.

  7. Hallo Hubert,

    vielen Dank für deinen Artikel und die investierte Zeit zur Gedankenanregung.

    Kunden bedürfnisorientiert Beraten, den Bedarf des Kunden erkennen und verkaufen, das Bedürfnis nach Produkten wecken, die ich nicht kaufen will und trotzdem kaufe…sind die Themen in der Vergangenheit.

    Bedarf oder Bedürfnis – um was geht es denn genau? In meinen Beratungen und Seminaren fokussiere ich mich darauf, was der Kunde erreichen möchte. Welche Vision hat er? Woher kennt er es (von sich oder von Anderen? Was möchte er erreichen? Dieses wird sich im Vertrieb zukünftig durchsetzen.

    Aus Visionen werden Wirklichkeiten.

    Herzliche Grüße
    Matthias

  8. Hallo,
    die wirtschaftswissenschaftliche Aussage von Bedürfnis-Bedarf-Nachfrage ist doch absolut korrekt. Selbstverständlich kann ich mit Marketingmitteln und anderen Kommunikationsmaßnahmen ein Bedürfnis wecken. Ihre Beispiele sind nur schlecht. Im ersten Beispiel passt es noch (übrigens ist es dort nicht so, dass Bedürfnis und Bedarf parallel auftreten, sondern aus dem Bedürfnis wird durch den Einsatz von Geldmitteln der Bedarf) und der Verkäufer im Baumarkt aktiviert ihr Bedürfnisempfinden – sie könnten jetzt noch ablehnen und sich eine Bohrmaschine beim Nachbarn leihen; weil aber der Verkäufer rhetorisch talentiert ist, glauben Sie tatsächlich, dass Sie jetzt doch lieber eine kaufen sollten. Hat das PoS-Marketing doch gegriffen.
    Das zweite Beispiel stimmt so einfach nicht. Sie haben überhaupt kein Bedarf an diesen Dingen. Würde man aber z.B. zu dem Konzert noch eine Stripshow oder etwas anderes männerfreundliches anbieten, könnte das Bedürfnis bei Ihnen geweckt werden, doch dorthin zu gehen. Hier muss aus Marketingsicht noch etwas getan werden, will man die Zielgruppe erreichen. Ansonsten gilt: Sind Sie nicht die Zielgruppe, ist es für mich als Unternehmen auch vollkommen uninteressant Sie für mich zu gewinnen. Will ich es, dann denke ich mir clevere Sachen aus, um speziell Ihren Bedarf in eine Nachfrage nach meiner Dienstleistung zu verwandeln.
    Und das mit dem lieber verhungern als Glibber zu essen zählt nicht, da es nicht stimmt. Sie würden alles essen um nicht zu verhungern.

    Wie geht das nun richtig? Nehmen wir das Apple iPad. Über intuitiv bedienbare Tablet-Computer haben sich höchstens Nerds in Usability-Laboren Gedanken gemacht, dann kommt dieses Unternehmen und zeigt ein Produkt, dass es so noch nie gab. Steve Jobs erklärt Ihnen, dass das Ding cool ist und es jede Menge Spaß macht, Sie also kein Zweit-4-Kilo-Notebook mehr auf dem Sofa brauchen. Sie gehen in den Laden, nehmen das Ding in die Hand und sagen sich: „Hey, der Steve hat Recht“. Gekauft und glücklich. Bedürfnisimplantatmaschine angeworfen. Oder wie wäre es mit Klassiker von 3M und den Haftnotizen? Das wollte auch niemand und jetzt? Standardbüroausrüstung.

    @Frau Schnack: Sie haben Recht, dennoch kann ich jemanden von dem „überhaupt“ überzeugen. Was nicht zwingend schlecht sein muss.

  9. Hallo Herr Baumann,

    vielen Dank für diese einerseits differenzierte, andererseits unterhaltsame Erläuterung zum Thema Bedarf, Bedürfnis und derer „Erweckung“! Dem ist nichts hinzuzufügen. Dieses Missverständnis muss ich in fast jedem Coaching mit Selbständigen aufklären. Denn es geht beim Verkaufen um Überzeugung des Kunden, warum er bei mir kaufen soll und nicht, ob überhaupt.

    Herzliche Grüße
    Natalie Schnack

  10. Hallo Hubert,

    danke, für deine Überlegungen. Ich denke, und haben es in vielen Arbeitsjahren immer wieder erfahren, dass Bedürfnisse und Bedarf nicht erzeugt werden kann. Deinen zwei Beispielen pflichte ich bei. Und wenn mich jemand, wie in Beispiel 2 beschrieben, zu irgend etwas überredet werden ich diesen nicht weiter empfehlen, sondern eher vor ihm warnen. Meine schlechten Erfahrungen gebe ich dann weiter.

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