Höchststrafe „Umsatzentzug“ – Oder: Wie Staat und Versicherungen am Vermögen ihrer Bürger knabbern.

Ich denke, es ist wohl das Schlimmste was einem Unternehmen passieren kann, wenn Kunden „woanders hingehen“ und dem Unternehmen damit Umsatz und Gewinn entziehen. Häufig ist es der Bequemlichkeit der Kunden zu verdanken, wenn diese trotz Unzufriedenheit diesem Unternehmen „treu“ bleiben.

Der Wechsel der Hausbank oder einer Versicherung ist ja meist mit einigem Schreibkram verbunden, selbst der unfreundlichste Einzelhändler um die Ecke hat einen Wettbewerbsvorteil, wenn der nächste Laden fünf Kilometer weit entfernt ist und ein anderes Unternehmen mag alleinig davon profitieren, dass es mit Abstand den niedrigsten Preis in seiner Branche anbietet.

Man soll zwar seinen Prinzipien treu bleiben und notfalls die Konsequenzen ziehen. Aber man muss sich – aus lauter Prinzipienreiterei – ja nicht unnötig selbst bestrafen, indem man mit einem Wechsel einen deutlich höheren Zeitaufwand oder deutlich höhere Preise in Kauf nimmt. Dennoch gibt es manchmal Umstände, die einem den Weggang erleichtern.

Und so durfte ich vor einigen Tagen einer Versicherung mitteilen, dass sie ab dem nächsten Kündigungstermin dauerhaft auf mich als Kunden verzichten müssen.

Der Hintergrund:

Seit dem Sommer 2014 gibt es ein neues Bewertungsgesetz für Versicherungen, das den Versicherungen vorgibt, ihre Wertpapiere anders als bisher zu bewerten. Dieses Gesetz wurde bisher kaum wahrgenommen. Denn als es im Sommer 2014 im Bundestag beschlossen wurde, war alle Welt mit der Fußball-WM beschäftigt. Da blieb kein Platz für andere Themen – weder in den Medien noch in den Köpfen der Menschen.

Diese Bewertungsreserven müssen seit einigen Jahren in den jährlichen Mitteilungen ausgewiesen und bei Fälligkeit der Versicherung mit ausgezahlt werden. Ich hatte meine Versicherung im Mai gekündigt, im Dezember kam nun die Abrechnung, in der sich der Betrag dieser Bewertungsreserven seit dem Mai um sage und schreibe 88 % reduziert hatte.

So beschließt die Regierung ohne großes Aufsehen ein Gesetz, das den Versicherungen erlaubt Ihren Kunden einfach weniger auszuzahlen. Die Versicherung widerum beruft sich auf das Gesetz, das ihr ja „leider“ keine anderen Möglichkeiten lässt. 

Ich bin sauer. Hätte die Versicherung in der Zwischenzeit nicht kundenorientiert über diese enorme Abweichung informieren können? Hätten sie nicht versuchen können, gemeinsam mit ihren Kunden nach Alternativen zu suchen oder Schadensbegrenzung zu betreiben? Stattdessen wartet man einfach ab, ob und wie der Kunde reagiert. Die Versicherung verwies mich im Nachhinein auf den Bundesanzeiger, in dem das Gesetz ja schließlich veröffentlicht wurde und „bedauerte, dass ich mich schlecht beraten gefühlt habe“. Eine Kulanzregel wäre aber nicht möglich, da dies dann „unlauterer Wettbewerb“ wäre.

Merke: Einen Kunden über bevorstehende gesetzliche Änderungen zu informieren und mit ihm gemeinsam nach Alternativen oder einer Schadensbegrenzung zu suchen ist unlauterer Wettbewerb.

Diese Argumentation schockiert mich auf’s Tiefste.

Ein Einzelfall??? Ich habe gegoogled und bin in diesem Zusammenhang auf ähnliche Fälle gestoßen.

Allerdings bewegte mich dieser Vorfall, grundsätzlich über mein Verhältnis zu dieser Versicherung nachzudenken. Werden sie bei Schadensfällen ähnlich reagieren und mich im Regen stehen lassen? Die Kundenkommentare, die auf der Facebook-Seite des Unternehmens las, konnten mich nicht wirklich vom Gegenteil überzeugen.

Und so war es nur eine Frage der Zeit, mich auch für eine andere noch vorhandene Versicherung nach einer Alternative umzuschauen. Über den Bund der Versicherten, bei dem ich in der Zwischenzeit Mitglied bin, fand ich ein Angebot, das mit der bisherigen Versicherung nicht nur mithalten, sondern dieses bei gleicher Leistung im Preis deutlich unterbieten könnte.

Das Unternehmen hat damit kurzfristig ein paar Euro gespart, dauerhaft jedoch einen Kunden verloren.