Ein Beitrag von Susanne Nemitz, Online-Kommunikation Debitoor
Von der Kunst das „richtige Du“ in der Rechnungssoftware Debitoor zu treffen und warum ein ehrliches „Du“ respektvoller sein kann als ein flüchtiges „Sie“
Ich würde es nicht als revolutionär bezeichnen einen Kunden zu „Duzen“, aber eben doch als „Nicht-Deutsch.“ Findet man als Deutscher nicht das spontane „Du“ respektlos? Und auf dem Blog dann sogar noch klein geschrieben: „du“.
Wer möchte schon im Newsletter geduzt werden? Schließlich habe man nicht Schweine zusammen gehütet.
Das „Sie“ wird als Ausdruck von Höflichkeit gegenüber dem Kunden gewertet. Man schätzt den Kunden, schafft aber auch gleichzeitig Distanz.
Ein sprachliches Experiment: Debitoor duzt alle Kunden
Für das Rechnungs- und Buchhaltungsprogramm Debitoor haben wir es dennoch getan: geduzt. Direkt von Anfang an, als Kommunikationskonzept. Durchgängig. Ohne Kompromisse: Von der Sprache in der Software, der Webseite, dem Blog, den Newslettern und den sozialen Medien. Auf der Debitoor Homepage wird sogar das „kleine du“ genutzt.
Einzige Ausnahme bilden die Kundenrechnungen, die Debitoor „Sie“ bittet zu zahlen.
Ob ein derart informelles Produkt überhaupt auf dem deutschen Markt Bestand hat, kann gefragt werden. Die Antwort scheint zu sein, dass es gerade deswegen auf dem Vormarsch ist. Der informelle Ton schafft Nähe zum Kunden. Hippe Kundenberichte machen das Rechnungsprogramm zum Anfassen. Schaffen Nähe zum Produkt. Schaffe Nähe zu dem Team hinter dem Produkt.
Wie könnte man dies mit einem „Sie“ erreichen?
Die informelle Sprache unterstreicht die Einfachheit des Produkts. Spricht eine neue Generation an: Start-Ups und Mac-User.
Von der Kunst das „richtige Du“ zu treffen
Die, und im konkreten Fall auch meine Herausforderung, ist es den höflichen Ton im „Duzen“ zu wahren. Schließlich will ich niemandem auf die Füße treten. Aber ein bisschen frech darf es sein.
Dieses Experiment hätte auch nach hinten losgehen können. Aufgebrachte Kunden. Das Gegenteil war der Fall. Infiziert und inspiriert von der nicht-hierarchischen Unternehmenskultur der dänischen Muttergesellschaft sprangen wir in informelles Fahrwasser.
Firmen, Führungskräfte und Kommunikationsexperten könnten sich fragen, ob Deutschland nicht mehr als bereit ist für den Aufschrei nach dem „Du.“
Das „kopierte Du“ – ein No-Go
Goldene Regel ist, dass das „Du“ nicht abgeschaut, nicht kopiert und als Firmenwert „von oben“ der Belegschaft auferlegt werden kann. Dennoch wird dies oft aufgrund einer falsch interpretierten informellen Umgangsart getan.
Aber warum?
Viele deutsche Firmen schielen nach Ländern wie Dänemark. Dort wird höchstens noch die Königin gesiezt. Den Geschäftsführer zu duzen liegt in der dänischen Kultur.
Trotz der unbezwungenen Kultur sind die Dänen aber nicht respektlos.
Bei dem dänischen Marktführer im Bereich online Buchhaltungssoftware, e-conomic, werden die Kunden geduzt, die überwiegend aus Steuerberatern und Buchhaltern bestehen. e-conomic ist die Muttergesellschaft von Debitoor und war ausschlaggebende Inspirationsquelle für das informelle Kommunikationsexperiment.
Es hat nichts Merkwürdiges, nichts Respektloses. Es kommt, wie überall, auf den Tonfall an. Und die Selbstverständlichkeit sich trotz oder wegen fehlenden Titels anzuerkennen, ohne darüber nachzudenken.
Sind deutsche Firmenführungskräfte souverän genug?
Gerade, wenn man die Karriereleiter erklimmen, sich Respekt verschaffen möchte und einen Titel hat, scheint das „Du“ in der deutschen Unternehmenskultur undenkbar. Außer, man befindet sich in seinem Kreis; im Kreis der Führungsebene; unter Gleichgesinnten. Gegenüber seiner Belegschaft scheint das „Du“ doch unangebracht. Man sollte lieber Distanz wahren.
Die große Frage ist, ob eine gute Führungspersönlichkeit dies überhaupt nötig hat. Oder ob man einfach in die gleiche Experimentierkiste wie Debitoor springen soll? Einfach, weil es besser zu einem passt.
Die deutsche Unternehmenskultur wird lockerer. Oft landet man schon bei „Stefan, können Sie bitte..“ Vornamen plus Sie. Vielleicht fühlt man sich so wohler. Ein lockeres Du einzuführen um hip zu sein, bringt nichts. Es muss natürlich geschehen, um glaubhaft zu sein.
Glaubwürdigkeit zahlt sich auf jeder Ebene aus. In der Führungsetage und auch beim Kunden.
Wer kauft schon eine Luftblase?
Ein Beitrag von Susanne Nemitz, Online-Kommunikation Debitoor
Herzlichen Dank an Susanne Nemitz für diesen Beitrag zu meinem Blog und das mutige Experiment.
Mein Kommentar: Ich setze die debitoor-Software selbst seit Anfang Juli für meine Rechnungsstellung ein. Seit Anfang September erfasse ich darin auch meine Ausgaben. Parkhausticket mit Handy abfotografieren, per E-Mail an eine vordefinierte E-Mail-Adresse mit dem Betrag in der Betreffzeile, und schon ist der Beleg verbucht. Meine Kunden werden es vielleicht nicht gerne hören: Aber es war nie so einfach, Rechnungen zu schreiben. :-)
Zugegeben: Als ich die erste Supportanfrage an debitoor stellte, war ich schon etwas überrascht, dass man mich in der Antwort plötzlich mit „Du“ und „Hallo Hubert“ ansprach. Aber irgendwie hatte ich damit das Gefühl Teil einer Gemeinschaft zu sein, die meine Wünsche ernst nimmt.
Und wie ist Ihre (oder soll ich sagen „Deine“) Meinung dazu? Bin schon gespannt auf äußerst kontroverse Diskussionen.